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Tipps zur Verbesserung der Schulterhaltung

Viele Reiter klagen über Haltungsprobleme beim Reiten - dabei oft genannt werden nach vorne gezogene (protrahierte) Schultern oder ein "Buckel" (verstärkte Kyphose in der BWS). Einfache Abhilfe schaffen sollen hier verschiedene Hilfsmittel zur Haltungskorrektur, wie beispielsweise das MT-Band, von denen ich aber aus verschiedenen Gründen abrate. Mehr dazu kannst du in diesem Blogbeitrag lesen.

Stattdessen möchte ich dir hier Tipps & Übungen geben, wie du selbst aktiv und effektiv deine Schulterhaltung beim Reiten verbessern kannst.

Abbildung 1: Upper crossed
Abbildung 1: Upper crossed

Anatomisches Hintergrundwissen

Damit du die Zusammenhänge besser verstehen kannst, möchte ich dir hier zunächst etwas anatomisches Hintergrundwissen geben. Die Schulter ist nämlich ein besonderes Gelenk, das fast nur muskulär stabilisiert wird. Dadurch ist sie extrem beweglich, aber auch anfällig auf Dysbalancen und Bewegungsstörungen. Das heisst aber auch: Wir haben hier super viele Möglichkeiten, durch Training der Muskulatur einen Einfluss zu nehmen!

 

Das Grundprinzip, dass der beschriebenen Haltung zugrunde liegt, wird oft als "upper crossed" Syndrom beschrieben und ist eigentlich die klassische "Schreibtischhaltung". Der Effekt der Schwerkraft führt dazu, dass unsere Schultern ständig leicht nach vorne/unten gezogen werden, wenn wir nicht aktiv dagegen wirken. Dadurch verkürzt sich der vordere Brustmuskel (u.a. M. Pectoralis) und die oberen Schultermuskeln (u.a. M. trapezius pars descendens). Gleichzeitig werden die unteren Schultermuskeln und die Halsbeuger verlängert und geschwächt. Diese muskulären Anpassungen verstärken das vorhandene Muster (nach vorne oben gezogenen Schultern, bucklig aussehende Haltung und nach vorne geschobener Kopf) und führen in einen Teufelskreis. Um diesen zu durchbrechen muss man selbst aktiv werden. Das Prinzip ist einfach: Verkürzte/abgeschwächte Muskeln trainieren und verspannte Muskeln detonisieren. In den folgenden Abschnitten möchte ich dir einige Möglichkeiten aus meiner Physiotherapieausbildung zeigen, wie du das erreichen kannst.

 

Untere Schultermuskeln kräftigen

Um die unteren Schultermuskeln zu kräftigen bieten sich Übungen wie Ruderzüge am Seilzug oder mittels Theraband an. Wichtig ist, darauf zu achten, dass du von vorne oben nach hinten unten ziehst, also das Theraband oder der Seilzug oberhalb deiner Schulterhöhe befestigt ist. So sprichst du auch wirklich den unteren Teil deiner Schultermuskulatur hauptsächlich an. Ausserdem solltest du unbedingt darauf achten, deine Schulterblätter während des Zuges bewusst nach hinten unten zu ziehen, um den Effekt zu verstärken.

Generell solltest du die Kraftübung so dosieren, dass du ungefähr 3x10 Wiederholungen ausführen kannst, ohne dass du dabei Ausweichbewegungen machen musst. Es sollte so schwer sein, dass du dich nach jeder Serie von 10 Wiederholungen kurzzeitig ausgepowert fühlst und einige Sekunden Pause machen musst, bevor du die nächste der drei Serien anfängst.

 

Obere Schultermuskeln detonisieren

Um einen Muskel zu entspannen, eignen sich vor allem Massagen, Dehnungen und auch Wärme. Eine Selbstmassage per Hand ist in dem Bereich manchmal etwas schwierig und führt meist zu weiteren Verspanunungen. Stattdessen empfehle ich dir, einen Blackroll Massageball, einen Igelball oder einfach einen Tennisball zu nehmen und diesen zwischen deine Schulter und eine Wand zu klemmen. Nun kannst du deine verspannte Schulterpartie ganz einfach massieren, indem du den Ball zwischen Wand und Schulter einwenig in alle Richtungen bewegst. Den Druck kannst du auch ganz einfach bestimmen, indem du dich mehr oder weniger gegen den Ball lehnst.

Eine weitere Möglichkeit sind wie erwähnt Dehnungen. Um die oberen Schultermuskeln zu dehnen, neigst du deinen Kopf leicht nach unten, drehst ihn leicht zur gegenüberliegenden Schulter und neigst ihn dann zur Seite, so dass deine Wange sich der gegenüberliegenden Schulter nähert. Die Schulter auf der zu dehnenden Seite ziehst du dabei aktiv nach unten, indem du deine Hand mit gestrecktem Arm in Richtung Boden ziehen lässt. Wenn du einen leichten Zug spürst, bleibst du für rund 20 Sekunden in dieser Position und versuchst bewusst, den gedehnten Muskel zu entspannen. Dies wiederholst du direkt 3 Mal und machst es am besten gleich mehrmals täglich. Verstärken kannst du die Dehnung, indem du mit deiner gegenüberliegenden Hand den Kopf noch zusätzlich sanft etwas in Richtung Schulter ziehst. Wenn du dir das noch nicht ganz vorstellen kannst, google einfach mal "Dehnung M. trapezius pars descendens" - da wirst du genügend Bilder und Videos finden.

 

Brustmuskeln detonisieren

Hier gilt dasselbe wie bei den oberen Schultermuskeln. Allerdings ist hier die Dehnung natürlich eine andere: Um die vorderen Brustmuskeln zu dehnen, stellst du dich am besten rechtwinklig zu einem Türrahmen und streckst deinen Arm gerade zur Seite aus. Den Ellbogen winkelst du 90 Grad an, sodass dein Unterarm nach oben zeigt. Den Unterarm legst du dann in dieser Position den Türrahmen. Dann drehst du deinen Oberkörper so ab, dass dein Arm immer mehr hinter deinen Körper kommt, bis du einen Zug im vorderen Brustmuskel spürst. Die Dosierung ist dann wieder gleich, das heisst bestenfalls mehrmals täglich 3x20 Sekunden dehnen.

Auch hier kannst du zusätzlich wieder eine Eigenmassage mittels Igelball oder ähnlichem durchführen. Dabei legst du dich am besten auf den Bauch und platzierst den Ball auf deinem vorderen Brustmuskel, das heisst cirka 3-4 Fingerbreit unterhalb des Schlüsselbeins. Dort kannst du den Ball dann wieder so rollen lassen, wie es dir gut tut.

 

Wahrnehmungsförderung mit Kinesiotape

Die Anlage eines Kinesiotapes kann ebenfalls helfen, die Schulterhaltung zu verbessern. Auf den ersten Blick scheint es ähnlich wie ein MT-Band zu sein, jedoch gibt es entscheidende Unterschiede in der Wirkungsweise. Im Gegensatz zu Schulterhaltungs-Tools "zwingt" das Kinesiotape den Körper nicht in eine Haltung. Stattdessen hilft es, durch Inputs über die Hautrezeptoren den Körper an die aktive Beibehaltung der gewünschten Körperhaltung zu erinnern.

Ich empfehle hierzu, sich die korrekte Anlage des Tapes von einem Therapeuten zeigen zu lassen. Anschliessend kann man sich das auch gut selbst (in dem Fall besser mit einer Hilfsperson) aufkleben.

 

In den Alltag einbinden

Besonders wichtig ist es, solche Übungen auch tatsächlich ein Teil des Alltags werden zu lassen. Dafür brauchst du kein Fitnessstudio, ja nicht einmal besonders viel Zeit. Wenn du gerade keine Übungen machen kannst oder willst, dann ziehe einfach mehrmals täglich die Schultern einige Sekunden nach hinten unten, bis deine Muskeln zu ermüden beginnen oder lasse gelegentlich die Schultern nach hinten kreisen. Das lässt sich wunderbar in den Alltag integrieren und trägt viel zum Erreichen einer besseren Schulterhaltung bei! Ein beliebter Trick ist es, mit "roten Klebepunkten" oder ähnlichem zu arbeiten, die du dir beispielsweise an den Kühlschrank oder PC-Bildschirm klebst. Jedes Mal wenn du so einen Punkt siehst soll er dich daran erinnern, kurz deine Übung zu machen.

So kannst auch du aktiv zu einer besseren Schulterhaltung und damit auch zu mehr Wohlbefinden im Alltag beitragen!

 

 


 

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Upper crossed. Gefunden auf https://spanda-yogalehrerausbildung.de/free-your-neck/ (da findet ihr übrigens auch gute Infos und Übungen dazu!)

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